Im Blog «Uroversum» von männer.ch informiert Urologe Dr. med. Sergej Staubli kurz und prägnant über Männergesundheit.
Als Urologe mit einer eigenen Praxis diagnostiziere ich nicht nur Krankheiten und führe Behandlungen durch. Ich nehme mir auch Zeit, um die Gesamtsituation des Mannes zu erfassen, den ich vor mir habe. In erster Linie bin ich Mensch und nicht Arzt, und das gilt auch für meine Patienten: Ich reduziere sie nicht auf ihre Krankheit, sondern nehme sie ganzheitlich wahr. In meinem Sprechzimmer haben aber auch Aspekte des männlichen Körpers Platz, die medizinisch vielleicht kein akutes Eingreifen erfordern, aber psychisch sehr bedrängen können. Dauerbrenner Nummer eins ist die Sexualität. Ohne Scheuklappen wende ich mich im Patientengespräch der schönsten Nebensache der Welt zu – und gebe ihr so die Bedeutung, die sie verdient.
Sexualität beginnt im Kopf
Ein schönes, erfüllendes Sexualleben ist für Männer – und Frauen – enorm wichtig. Und hier kann ich gleich eines vorausschicken: Es ist völlig normal, dass sich die Sexualität über die Jahre verändert. Da geht es allen gleich. Fragen Sie einmal Ihren besten Freund, initiieren Sie ein aufrichtiges Gespräch über Ihr Sexualleben – Sie werden staunen, was Sie Neues erfahren. Doch manchmal will er einfach nicht mitmachen – der Penis, nicht der Freund.
Ich verstehe, dass es verunsichert, wenn Mister Penis nicht mehr ausreichend steif wird und auch gutes Zureden nicht hilft. Er war doch immer so verlässlich! Als Arzt kann ich hier nur sagen: Eine Erektion ist ein hochkomplexer Vorgang; Hormone, Blutgefässe, Nerven und letztlich auch die Psyche müssen optimal zusammenspielen, damit die Schwellkörper genug durchblutet werden und der Penis steif wird. Erektionsprobleme, die von Zeit zu Zeit auftreten, sind normal und erfordern keine Behandlung. Wie sehr solche Vorkommnisse verunsichern können, habe ich neulich wieder bei einem Patienten von mir erlebt – nennen wir ihn Jorge. Wie so oft finden solche Gespräche an der Türklinke statt, weil sich die Patienten schämen und ihr Problem zwischen den Laken als persönliches Scheitern empfinden.
«Wissen Sie, ich bin geschieden und habe nun seit einiger Zeit eine neue Freundin», sagt Jorge.
«Das ist ja toll! Herzlichen Glückwunsch!», sage ich.
Jorge: «Die Idee für die Scheidung kam von mir aus. Meine Ex hatte nie mehr Lust auf Sex. Irgendwann stimmte es für mich nicht mehr.»
«Umso schöner, dass Sie jetzt wieder jemanden haben.»
Jorge räuspert sich. «Meine neue Freundin ist sehr schnell erregt und wir landen daher oft im Bett. Aber seit dem Ende meiner Ehe bin ich ein paar Jährchen älter geworden und na ja … es kann vorkommen, dass ich nicht mehr komplett steif werde.» Jorge ist ganz blass geworden. «Hat mich meine Libido verlassen – und verlässt mich als nächstes meine Freundin?»
Auch wenn dieses Patientengespräch fiktiv und überzeichnet ist, gehen reale Gespräche oft in eine ähnliche Richtung. Ich würde Jorge nochmals hereinbitten oder einen neuen Termin mit ihm für ein ausführliches Gespräch vereinbaren. Dabei ginge es um mögliche Risiken, um eine allfällige Erektionsstörung zu identifizieren. Unter anderem frage ich, ob Jorge mühelos eine Erektion bekommt, wenn er masturbiert. Bejaht er dies, kann ich organische Ursachen ausschliessen. Vielleicht stellt sich im Gespräch jedoch auch heraus, dass die Beschwerden schon länger andauern und gehäuft vorkommen.
Lust auf Sex, aber keine Erektion?
In einem im Jahr 1994 publizierten Artikel im «Journal of Urology» konnten die Autor*innen nachweisen, dass über 50% der Männer zwischen 40 und 70 Jahren an einer Erektionsstörung leiden. Zu wissen, dass sie nichts «falsch machen», hat auf viele Patienten einen beruhigenden Effekt. Endlich bekommt das, was sie runterzieht, einen Namen: Im Fachjargon nennt sich die Krankheit erektile Dysfunktion. Sie liegt dann vor, wenn ein Mann Schwierigkeiten hat, eine Erektion zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, die für den Geschlechtsverkehr ausreichend ist. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein und sowohl physische als auch psychische Aspekte haben.
Den Ursachen auf der Spur
- Medikamente wie Phosphodiesterase-5-Hemmer, die die Durchblutung erhöhen und die Erektion erleichtern.
- Mechanische Hilfsmittel wie Penisringe oder Vakuumpumpen
- Die Stosswellentherapie: Eine nicht-invasive Behandlungsmethode, die akustische Wellen verwendet, um die Durchblutung im Penis zu fördern und das Wachstum neuer Blutgefässe zu stimulieren.
- P-Shot: Eine Behandlung, bei der plättchenreiches Plasma (PRP) aus dem Blut des Patienten in den Penis injiziert wird. PRP enthält Wachstumsfaktoren, die die Regeneration des Gewebes fördern und die Durchblutung verbessern können.
- Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Durch die Kombination von Akupunktur, Kräutermedizin, Ernährungslehre und Bewegungskünsten wie Qi-Gong kann TCM dazu beitragen, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen und die Erektionsfähigkeit zu verbessern.
Umdenken ist angesagt
Zurück zu Jorge: Für ihn ist in erster Linie wichtig zu wissen, dass er sich den Umständen nicht ausgeliefert fühlen muss. Die Medizin hat auf dem Gebiet der erektilen Dysfunktion in den letzten Jahren riesige Schritte gemacht. Mit der richtigen Behandlung können viele Männer ihre sexuelle Gesundheit wiederherstellen und eine erfüllende Beziehung führen.
Sergej Staubli
Dr. med. Sergej Staubli ist Urologe mit eigener Praxis in Wallisellen. Im Blog «Uroversum» schreibt mit Humor, Fachkompetenz und dem nötigen Feingefühl über Themen der genitalen Gesundheit. Damit will er enttabuisieren und gleichzeitig Präventionshilfe leisten.