Bildungsbereich: Männer als Mitarbeiter
Herausforderungen
Männer ziehen sich zusehends aus pädagogischen Berufen zurück. Unter den Primarlehrkräften sind seit den 1960er-Jahren weniger Männer als Frauen PrimarlehrerInnen. Heute beträgt der Männeranteil in der Primarschule laut Bundesamt für Statistik noch 17.7% (Schuljahr 2012/2013). Noch weniger Männer sind in der Vorschule/Eingangsstufe engagiert. Ihr Anteil beträgt 4.2% (Schuljahr 2012/2013). Ähnlich hoch resp. tief ist der Männeranteil in den Institutionen der familienexternen Kinderbetreuung.
Die Förderung von Männern in der geschlechtsuntypischen Berufswahl wird zwar auch im pädagogischen Bereich auf verschiedenen Ebenen immer wieder gefordert. Gezielte Massnahmen und Unterstützungsstrukturen – z.B. für den Quereinstieg eines berufserfahrenen Mannes in die professionelle Betreuungsarbeit – sind aber kaum vorhanden. Die durch das Bildungssystem eigentlich möglichen verkürzten Bildungswege im Betreuungsbereich sind Männern kaum bekannt und werden von ihnen auch nicht genutzt.
Ob die Untervertretung der Männer in pädagogischen Berufen ein pädagogisches Problem ist, wird fachlich diskutiert – und in der Tendenz eher verneint: Der Schul- und Bildungserfolg von Kindern hängt nicht zentral mit dem Geschlecht der Lehrpersonen zusammen. Bisher gibt es kaum empirische Evidenz dafür, dass das biologische Geschlecht der Lehrperson Auswirkungen auf die Schulleistungen von Jungen und Mädchen hat (siehe z.B. Hannover & Kessels, 2011). Jedoch bleibt die männliche Untervertretung gleichstellungspolitisch und volkswirtschaftlich ein Problem.
Lösungsansätze
Auch wenn ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Schulbereich gleichstellungspolitisch naheliegend ist, so ist die Forderung nach einem höheren Männeranteil nicht spannungsfrei. Es besteht die Gefahr, sie als Kritik am weiblichen Engagement im Primarlehrberuf zu lesen oder als biologistische Annahme zu (miss-)verstehen, Männer könnten allein aufgrund ihres Mann-Seins als Lehrer Qualitäten einbringen, welche Frauen aufgrund ihres Frau-Seins nicht einbringen könnten.
Im Zentrum steht jedoch eher die Forderung nach einer ausgewogenen Durchmischung der Geschlechter und einer höheren Diversität innerhalb der Geschlechter. Im Sinne eines diversity managements geht es darum, «der Vielfalt der Kinder eine Vielfalt der Lehrkräfte gegenüber zu stellen» (Faulstich-Wieland, 2011, S. 410). Die Förderung eines höheren Männeranteils ist in dieser Perspektive immer auch Förderung von Vielfalt – und Vielfalt Förderung von Qualität und Chancengleichheit.
Praxisbeispiele
Im Verein Männer an die Primarschule haben sich Vertreter und Vertreterinnen der Pädagogischen Hochschulen, Berufsverbände und Schulbehörden mit den Fachleuten der schulischen Bubenarbeit zusammen geschlossen, um koordiniert an einem höheren Männeranteil in der Primarschule zu arbeiten. Aktuell setzt der Verein vier Projekte um, die vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann finanziert werden. Dabei geht es beispielsweise darum, interessierten Berufseinsteigern oder -umsteigern Schnuppergelegenheiten im Berufsalltag zu vermitteln oder mittels eines Fortbildungsangebots die Gendersensibilität in den Lehrkörpern und Schulleitungen zu erhöhen.
Das Argumentarium des Vereins Männer an die Primarschule zur Frage, warum überhaupt eine Erhöhung des Männeranteils anzustreben ist, findet sich hier.
Im Rahmen des MenCare-Projekts Mehr Männer in die Kinderbetreuung (MAKI) ist für die Zielgruppe der nicht mehr ganz jungen Berufsumsteiger ein eigenständiges Teilprojekt entwickelt worden, das zur Zeit als Pilotprojekt im Kanton Bern umgesetzt wird.
Eine Form der Beteiligung von Männern im Bildungsbereich ist auch der Einsatz von freiwilligen «Grossvätern» in den Schulen, wie es im Projekt win3 umgesetzt wird.
Bildungsbereich: Männer als Zielgruppe und Kunden
Herausforderungen
Im Bereich der familiären Bildungsarbeit gelten die Väter als schwer zu erreichende Zielgruppe. In Angeboten der Elternbildung kommen sie nur selten als spezifische Adressaten vor. Eine eigentliche Struktur für eine «Väterbildung», wie sie z.B. in anderen deutschsprachigen Ländern vorhanden ist, existiert bei uns nicht.
Im Bereich der Volksschule wird in den letzten Jahren vielerorts vermehrt darauf geachtet, auch die Väter bereits in der vorschulischen Erziehung und in der Unterstufe einzubeziehen. Vielerorts nehmen Väter denn auch an Veranstaltungen und Elterngesprächen teil. Eine Strategie, um als Ergänzung zu den vorwiegend weiblich geprägten Schulen in der Unterstufe, Väter gezielt einzubeziehen, ist aber nicht vorhanden.
Lösungsansätze
Neu entwickelte und bestehende Angebote sollten in Zukunft vermehrt darauf überprüft werden, ob sie der Zielgruppe der Männer und Väter entsprechen. Vermeintlich «geschlechterneutrale» Angebote erweisen sich bei genauerer Betrachtung weniger als geschlechtsneutral denn vielmehr als geschlechtsblind. Diese unbewusste Reproduktion von alten Mustern sollte bewusst reflektiert werden. «Väterkompatibilität» stellt in diesem Sinn auch eine Dimension der Qualitätsüberprüfung von Bildungsangeboten dar.
Praxisbeispiele
Die Erfolgsfaktoren einer gelingenden Ansprache von und Arbeit mit Vätern sind in einer internationalen Lernpartnerschaft identifiziert und in einem «Leitfaden für Väterprojekte» beschrieben worden.
Im Rahmen von MenCare setzt das SIMG einen Schwerpunkt im Bereich des Spiels als pädagogische Massnahme für Bildungsarbeit mit Vätern. In Zusammenarbeit mit spielschweiz.ch werden verschiedene Spiele erarbeitet und getestet, welche in der Bildungsarbeit mit Vätern eingesetzt werden können. Für weitere Informationen richten Sie sich an Andreas Borter, Leiter SIMG, borter@simg.ch).
Auf der MenCare-Landkarte finden sich im Bereich Bildung jeweils Angebote, welche sich speziell an Männer/Väter richten.