Markus Theunert, Gesamtleiter von männer.ch, äussert sich zum Vorwurf von Daniel Jositsch, dass der Entscheid der SP-Spitze diskriminierend sei, für die Bundesratskandidatur ausschliesslich auf Frauen zu setzen.
Sehr geehrter Herr Jositsch
Bei den letzten Wahlen habe ich Sie gewählt. Doch jetzt enttäuschen Sie mich. Noch mehr als Ihre Bundesratskandidatur verstört mich Ihre Rechtfertigung. Gegen Ihre – angeblich verfassungswidrige – «Diskriminierung» wollen Sie ankämpfen und eine Debatte über «sinnvolle Gleichstellung» provozieren. Mit Verlaub: Das ist Polemik.
Klar, die Bundesverfassung schreibt: «Niemand darf diskriminiert werden» (Art. 8 Abs. 2). Man muss aber kein Rechtsprofessor sein, um zu sehen: Dieser Anspruch kann nicht absolut gelten. Sonst wären auch das verbilligte Senioren-GA, die für Rollstuhlfahrende reservierte Sitzreihe im Tram oder die Krankenkassenvergünstigung für Familien in prekären Verhältnissen verfassungswidrige Diskriminierungen. Weil die Bevorzugung aber aus gutem Grund erfolgt, sind das bloss Beispiele für Massnahmen, die bestehende Benachteiligungen angemessen ausgleichen.
Mit dem Entscheid der SP-Spitze, der Bundesversammlung für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga ein reines Frauenticket vorzuschlagen, verhält es sich ebenso. Der gute Grund: Der Anteil von Frauen in der Landesregierung soll nicht unter 30 Prozent fallen (was er täte, wenn nur noch zwei von sieben Regierungsmitgliedern Frauen wären). Genau deshalb präzisiert das Bundesgesetz über die Gleichstellung unter dem Titel «Diskriminierungsverbot»: «Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellen keine Diskriminierung dar» (Art. 3 Abs. 3).
Kennen Sie das Gleichstellungsgesetz nicht? Oder gefallen Sie sich einfach zu sehr in der Pose des «diskriminierten» Mannes? Ganz ehrlich: Mich berührt das peinlich. Denn ich sehe statt eines «diskriminierten» Mannes bloss einen privilegierten Mann, der mit Begrenzungen nicht umgehen kann. Dass es schwierig und schmerzhaft ist, eigene Ambitionen im Dienst der Gleichstellung zurückzustellen, kann ich bestens verstehen. Doch genau das ist die Aufgabe unserer Generation. Indem wir lernen, auf Privilegien zu verzichten und mit den damit verbundenen Verlusten und Kränkungen einen guten Umgang zu finden, leisten wir die Gleichstellungsarbeit, die es jetzt braucht. Machen Sie mit. Es wird Ihrem Ansehen und Ihrer Lebensqualität nur gut tun.
Markus Theunert, Gesamtleiter männer.ch (Dachverband progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen)
Markus war 2005 bis 2015 Gründungspräsident von männer.ch. Seit 2016 ist er Gesamtleiter von männer.ch und in dieser Funktion auch Leiter des nationalen Programms MenCare Schweiz. Daneben ist er mit seiner Social Affairs GmbH als Organisations- und Strategieberater tätig. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.
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